StartWofür ich steheEin paar Schlaglichter zu meinen Positionen

Ein paar Schlaglichter zu meinen Positionen

Ich weiß: Wenn sich jemand dermaßen hartnäckig mit einer Thematik wie Armut befasst, vermutet man meist nicht zu Unrecht, dass sie betreffende Person auch aus eigener Erfahrung und tieferem Antrieb heraus agiert. In meinem Fall will ich auch gar nicht verheimlichen, dass das stimmt.

Armut – also auch Kinderarmut – ist ursächlich ein gesellschaftspolitisches Problem und könnte somit grundsätzlich auch nur durch Politik und Gesellschaft beseitigt werden.

Ich beobachte die Armutsentwicklung in Deutschland nun schon seit Mitte der 1980er Jahre, zunächst in meiner Beratungstätigkeit als sozialpolitische Referentin, später (ab 1994) als Fachhochschuldozentin für Sozialpolitik und Armutsforscherin, wobei mein Hauptaugenmerk auf der Kinderarmut lag und weiterhin liegt. In diesem Zeitraum (also innerhalb von fast drei Jahrzehnten) hat sich die Armutsproblematik kontinuierlich verschärft – durch anhaltend hohe Erwerbslosigkeit, Zunahme von geringfügigen Beschäf-tigungen, Ausweitung des Niedriglohnsektors (working poor) und steigende Zahlen von Alleinerziehenden, vor allem nach der Einführung von Hartz IV. Allenfalls hat eine Verschiebung bei den von Armut am häufigsten betroffenen Gruppen stattgefunden: Zunächst waren es ältere Menschen und vorwiegend Frauen, inzwischen sind es Kinder und Jugendliche, Alleinerziehende, Familien mit vielen Kindern und Migranten.

Sicherlich, in den letzten Jahren hat die Armutsproblematik zunehmend in die öffentliche und politische Diskussion Eingang gefunden (siehe: Armuts- und Reichtums-berichterstattung der Bundesregierung, Nationaler Aktionsplan auf EU-Ebene). Insbesondere die Kinderarmuts-thematik hat durch die UNICEF-Reporte, in denen Deutschland nur einen mäßigen Platz einnimmt, öffentlich mehr Aufmerksamkeit bekommen. Aber zuletzt UNICEF hat die Bundes-republik wieder gerügt, dass sie mit ihren Maßnahmen zur Förderung von Familien und Kindern die Armutsproblematik nur mittelmäßig effektiv angeht. Aller Sonntagsreden zum Trotz scheint es letztlich an der politischen Entschlossenheit zu fehlen, auf dieser Ebene Armut und ihre Folgen grundsätzlich zu bekämpfen.

Angesichts dieses anhaltenden Missstandes, der unermüdlich anzuprangern ist, kann es auf anderen Ebenen nur um „Schadensbegrenzung“, also um sekundäre und tertiäre Prävention gehen, also lediglich um Begrenzung der Armutsfolgen. Solange sich nichts Grundsätzliches ändert, können wir nur alles tun, damit in Familien mit sogenannter „sozial vererbter Armut“ die nächste Generation einen Ausstieg aus dem „Teufelskreis von Armut“ findet.

Daraus leitet sich für mich als Kinderarmutsforscherin das Postulat ab, nicht bei der Analyse von Armutsfolgen und Bewältigungsstrategien stehen zu bleiben, sondern mich auch an der Auseinandersetzung über praktische Maßnahmen von Armutsprävention mit meinen eigenen Möglichkeiten zu beteiligen. Daher habe ich mich auch kontinuierlich mit politischer Armuts-berichterstattung (siehe Münsteraner Kinderarmutsbericht) befasst und die wissenschaftliche Begleitung von Projekten zur Armutsprävention auf kommunaler Ebene übernommen (siehe beispielsweise Modellprojekte in Saarbrücken), damit die dabei gewonnenen Erkenntnisse auch in die Konzeption neuer Projekte und in die praktische Arbeit mit benachteiligten Kindern vor Ort einfließen kann.

In diesem Sinne betrachte ich auch die Resilienzförderung als eine Form der (sekundären und tertiären) Armutsprävention. Ihr gilt seit neuerem (seit der Veröffentlichung meines Buches „Armes Kind – starkes Kind? Die Chance der Resilienz“, 2008) mein besonderes wissen-schaftliches Engagement. Aufwachsen in Armut stellt aus der Sicht der Resilienzforschung ein zentrales Entwicklungsrisiko für Kinder dar. Mit der Förderung ihrer Resilienz, also ihrer „ seelischen Widerstandskraft“, könnten diese oft vielfach belasteten Mädchen und Jungen zweifellos bei der Bewältigung ihrer schwierigen Lebensbedingungen gestärkt und unterstützt werden. „Resilient“ zu sein, könnte für diese Kinder bedeuten,  dass sie ihr Leben – aller sie bedrohenden Entwicklungsrisiken zum Trotz –  unbeschadeter, erfolgreicher und glücklicher meistern als eigentlich zu erwarten wäre. Dies ist meine tiefste Überzeugung und dafür steht beispielweise auch die renommierte Studie von Emmy Werner, deren Probanden zu einem hohen Anteil aus Armutsverhältnissen kamen.

Da ich fest daran glaube, beteilige ich mich neuerdings auch als wissenschaftliche Begleiterin an Praxisprojekten, die sich diesem Konzept verschrieben haben (beginnend mit den Saarbrücker Modellprojekten, gefolgt von den „Lichtpunkte-Projekten“ und  neuerdings das Roma-Flüchtlingskinder-Projekt des Rom e.V. Köln).

Dass sich Resilienz überhaupt fördern lässt, birgt einen Hoffnungsschimmer. Viele können daran mitwirken: Eltern, aber auch Betreuungspersonen im weiteren sozialen Umfeld, Kita-Personal etwa oder Lehrkräfte. Wir müssen aber vermuten, dass wir mit Resilienzförderung nicht alle Kinder gleichermaßen erreichen können. Allein schon deswegen eignet sie sich nicht dafür, als Alibi für Untätigkeit von Politik und Gesellschaft herzuhalten. Und bei der Frage, wer letztlich die Definitionsmacht hat, was das Ergebnis von Resilienzförderung sein soll, entscheide ich mich jedenfalls für die Perspektive des Kindes. Auch wenn – oder gerade weil – resiliente Kinder keine angepassten Kinder sein müssen. Eben weil sie es besonders schwer haben, können sie auch „unbequeme“ oder „sperrige“ Kinder sein. Vielleicht sollten wir gerade auf sie setzen?

Andere Themen, die mir wichtig waren und sind, die ich vor allem in meiner Lehre am Fachbereich Sozialwesen fokussiert behandelt habe:
•    Migration, Integration und Interkulturalität
•    Genderaspekte in der Sozialpolitik und Sozialen Arbeit
•    Rechtsorientierung von Jugendlichen und sozialpädagogische Konzepte
•    Demografische Entwicklung und Generationenverhältnis
•    Sozialstaat und Reformperspektiven
Wer genau hinsieht, wird feststellen, dass alle diese Themen auch einen mehr oder weniger direkten Bezug zu meinem „Ursprungsthema“ haben.

Es muss nicht in jedem Fall so sein, aber für mich haben sich die Forschungsschwerpunkte ebenso wie meine politischen Positionen aus meinem Werdegang heraus entwickelt. Ich hätte es für Verrat an meiner Herkunft gehalten, wenn ich mich der Armutsproblematik in meinem späteren Leben verschlossen hätte. Auch auf das Resilienzthema bin ich nicht zuletzt durch die Reflexionen über meine eigene Entwicklung gekommen. Es war ein richtiges Aha-Erlebnis, sich damit zu befassen. Ich bin mir sicher: Die Resilienz-Frage wird mich auch in Zukunft nicht loslassen.


 

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